Wenn das Lesen schwerfällt

Berichte von Menschen, denen das Lesen schwerfällt.

Die Berichte sind Transkripte, da keine Tonaufnahmen gewünscht waren.

Bericht von Juliane

Zahlen sind für mich leichter als Buchstaben. Sie bleiben an ihrem Platz und machen Sinn. Das ist auch der Grund, warum ich ganz gut rechnen kann, das macht mir auch Spaß und ich komme vorwärts, auch wenn ich nie ganz viel Mathe können werde. Auch Textaufgaben zu lösen macht mir Spaß, es ist schön, Rechenweg und Lösung sauber aufzuschreiben und zu unterstreichen, dann hat man etwas geschafft, das ist schön, das ist dann meins. Auch Sudoku mache ich gerne. Aber wenn ich Wörter schreiben soll, sieht es oft anders aus, als ich es mir gedacht habe. Ich bin mir sicher, dass ich ein Wort richtig geschrieben habe – bis jemand mir sagt, dass es falsch ist. Dann bin ich verwirrt, weil ich es doch genau so gesehen habe.

Manchmal fühlt es sich an, als würde mein Kopf anders funktionieren als der von anderen. Ich sehe Dinge, die andere nicht bemerken und habe das Lesen ganz schwer gelernt.  Ich habe manchmal Muster gesehen in den Buchstaben, aber mir nicht merken können wie der Buchstabe heißt, oder, schlimmer, wie man ihn dann ausspricht. Manchmal haben die Buchstaben ihre Plätze vertauscht mitten beim Lesen und ich war als Kind lange überzeugt, dass Buchstaben das einfach von allein so machen und darum meine geschriebenen Wörter plötzlich auch anders aussehen als ich sie geschrieben habe. Ich erinnere mich noch an den Tag, als ich entdeckt habe, dass das bei anderen Kindern nicht so passiert und dieses also keine Eigenschaft von Buchstaben ist, dass sie sich verändern oder wandern. Es musste also mit mir zu tun haben. Das hat mich völlig verwirrt und ich dachte, dass ich schlimm krank im Gehirn bin.

Später hat mir eine Therapeutin erklärt, dass das ein Trick meines Gehirns ist, da war ich immer noch verzweifelt, aber heute habe ich mich damit abgefunden.

Wenn ich lese, springt mein Blick oft zu einem anderen Wort, bevor ich das erste verstanden habe. Ich verliere die Zeile, weil die Buchstaben vor meinen Augen verschwimmen oder sich drehen. Manche Buchstaben sehen für mich fast gleich aus, und manchmal muss ich raten, welches es ist. Ich wundere mich heute auch noch manchmal, dass gleiche Buchstaben so verschieden aussehen können. 

In der Schule sagten sie oft, ich solle mich „besser konzentrieren“. Aber das war gar nicht so einfach. Mein Kopf ist voller Bilder. Wenn ich ein Wort höre, sehe ich sofort dazu eine Szene in meinem Kopf. Manchmal ist die Szene so spannend, dass ich vergesse, weiterzulesen. Ich konnte ewig lange im Unterricht einfach nur dasitzen und dem Film in meinem Kopf zusehen.

Trotzdem hatte ich auch in der Schule meine Stärken. Ich kann mir Dinge räumlich sehr gut vorstellen. Und ich habe gerne gerechnet. Auch beim Basteln oder Zeichnen merke ich, dass ich oft Ideen habe, auf die andere nicht kommen. Dadurch hatte ich auch viele Freunde, das war gut. Ich habe heute auch immer viele Menschen um mich herum, das habe ich gerne.

Lesen ist für mich immer noch anstrengend, und ich brauche länger als andere. Aber es ist viel besser geworden, im Alltag und auf der Arbeit komme ich gut zurecht. Zeitung und Bücher lese ich fast gar nicht, da bin ich faul geworden, es gibt ja jetzt so schöne Hörbücher, die höre ich oft im Auto. 

Bestimmt wäre es einfacher gewesen im Leben, wenn ich nicht diese Schwierigkeiten gehabt hätte. Aber ich bin zufrieden und habe eine tolle Familie, dann ist das nicht so schlimm, wenn man nicht alles alleine machen muss. 

Mit digitalen Sachen komme ich nicht gut zurecht, das finde ich auch nicht so wichtig. Beim Handy sprechen mir die Kinder drauf, das geht schon und so kommen wir gut zurecht. Bei den Schulaufgaben hat früher mein Mann geholfen, das war für die Kinder völlig normal. Ich habe da ja immer noch ein bisschen Angst und gerate schnell in Stress. Hier in der Lernwerkstatt ist es besser, alle haben ja ähnliche Schwierigkeiten, da sieht man sich mehr als Mensch und ich komme gern hierher. Man hat einen Ort, wo man sich nicht schämen muss und noch ein bisschen was lernen kann. Darum ist mir das wichtig und ich komme fast immer einmal in jeder Woche. Ich bin froh, dass meine Kinder gut in der Schule sind. Der Kleinen ist es leichter gefallen, aber die Große wird bald fertig und lernt dann einen Beruf, dann haben wir das auch geschafft.

Bericht von Max (45)

Ich war schon in der 1. Klasse mit allem überfordert, was Lesen und Schreiben war. Geschichten habe ich gerne gehört, aber das andere hat mich ganz hibbelig gemacht. Ich war dann hyperaktiv und überfordert und kam dann an eine Förderschule. Da ging dann alles langsamer. Aber ich habe eben insgesamt nicht so viel gelernt, weil es ja eine Förderschule war. Manchmal denke ich, dass mein Leben anders verlaufen wäre, wenn ich das Lesen auf einer anderen Schule richtig gelernt hätte. Man lernt dann vieles andere auch schneller, weil man ja auch selbst nachlesen kann.

Buchstaben kann ich lernen, wenn sie mit einem Bild verbunden sind. Dann kann ich sie mir merken. Oder wenn sie so oft vorkommen, dass das gefestigt ist. Lesen ist immer mit Stress verbunden, da ist Konzentration zu halten schwer. Dann verschwimmt alles und geht durcheinander und ich finde die Worte nicht. Gut ist, wenn jemand beim Lesen dabeisitzt, der leise nickt oder bestätigt, das nimmt Stress und hilft mir, das ist wichtig.

Manchmal sehe ich das Bild vom Buchstaben und muss dann erst im Gehirn umbauen, bis ich das gelesene Wort finde. Ich sehe dann den Tisch für das T und denke, was wird das für ein Wort, in dem der Tisch vorkommt. Aber da ist kein Tisch, das Wort heißt eigentlich beispielsweise Tasche. Und so geht es mit vielen Buchstaben und das ist dann beim Lesen durcheinander. Und es geht schon gar nicht schnell und nicht unter Stress oder Aufmerksamkeit von anderen. 

Wenn ich alleine mit dem Zug fahren muss, ist das purer Stress. Ich habe immer Angst, dass ich falsch ankomme oder was nicht mitkriege. Ich lasse mir immer den Fahrplan mit allen Stationen ausdrucken und dann streiche ich jeden Halt ab und dann sehe ich, wann ich aussteigen muss. Weil ich manchmal die Schilder nicht so schnell lesen kann oder man sie gar nicht sieht vom Zug aus. 

Ja, ich kann auch Leute fragen, aber oft hole ich mir eine doofe Antwort ab, das muss ich nicht immer haben.

Beim Einkaufen gibt es Läden, da sind die Schilder so klein gedruckt und so durcheinander angeordnet, zum Beispiel an der Gefriertruhe, da gehe ich dann ungern hin. Ich kenne inzwischen die Läden und weiß, wo es besser ausgeschildert ist und man die Preise besser findet. Warum schreiben nicht alle Läden große Schilder und einfach und zugeordnet, das ist doch für Alle besser, auch alte Leute sehen doch nicht mehr so gut.

Schlimm ist, wenn sich beim Geldautomaten oder ähnlichem das Display verändert hat. Das kann ich dann nicht so schnell überblicken. Dann mache ich immer erst wieder zu und komme wieder, wenn ich mehr Zeit habe oder fragen kann.

Je älter man wird, um so weniger ist der Rückhalt, darum bin ich froh, dass ich die Lernwerkstatt gefunden habe, als Netz sozusagen. Und ich lerne hier ein bisschen lesen, auch wenn es langsam geht. 

Mein Tipp ist, dass die Kinder in der Schule unbedingt lesen lernen müssen und die Erwachsenen müssen das fördern und unterstützen und Mut machen und Geduld haben. Man braucht einfach mehr Unterstützung und ich habe die oft nicht kontinuierlich bekommen. Es ist wichtig, dass die Hilfe fachlich fundiert ist, das war bei mir oft nicht so, ich habe manchmal gedacht, dass die alle mit mir rumprobiert haben und dann war ja immerzu ein Wechsel. Aber jetzt habe ich mehr Geduld und abends lese ich manchmal zu Hause, da bin ich entspannt. Das Schreiben wird auch besser. Also habe ich noch Hoffnung, dass ich immer noch dazulernen kann. Andere Sachen habe ich ja auch gelernt.

Bericht von Merlin (14)

Stell dir vor, du stehst vor einer großen Tafel mit lauter Wörtern darauf. Du willst sie lesen, aber kaum schaust du hin, verschwinden einige oder tauschen ihren Platz. So fühlt sich Lesen für mich an. Manche Buchstaben drehen sich um, andere tauchen plötzlich doppelt auf. Manchmal lese ich ein Wort, und es macht keinen Sinn – bis mir jemand sagt, dass ich Buchstaben vertauscht habe.

Ich kann mir Gesichter, Orte und Situationen perfekt merken. Wenn ich einmal irgendwo war, finde ich auch nach Jahren den Weg dorthin. Aber wenn ich ein Wort zehnmal gelesen habe, kann es sein, dass ich es beim elften Mal trotzdem nicht erkenne. Es ist, als ob mein Gehirn sich weigert, Wörter auf die gleiche Weise zu speichern wie bei anderen Menschen.

In der Schule sagen sie, ich soll mehr üben. Ich übe viel, aber die Wörter rutschen mir trotzdem weg. Ich sehe ein Wort an, spreche es aus – und wenn ich es kurz danach wiedersehe, fühlt es sich an, als hätte ich es noch nie gelesen. 

In der Schule geht alles schnell. Die anderen lesen einen Satz laut vor, und wenn ich an der Reihe bin, bin ich immer noch damit beschäftigt, das erste Wort zu entziffern. Es fühlt sich an, als würde ich eine Geheimsprache entschlüsseln, während die anderen schon längst weitergezogen sind. Ich weiß, dass die Wörter da sind – aber mein Kopf braucht länger, um sie zu erkennen. Wenn ich keinen Stress habe, geht das besser. Vor der Klasse lese ich nie, die Lehrer nehmen mich auch nicht mehr dran.

Manche Texte scheinen sich gegen mich zu wehren. Aber wenn ich eine Geschichte höre, kann ich sie mir in Bildern vorstellen und nacherzählen, als wäre ich selbst dabei gewesen. Ich bin froh, dass ich diese Fähigkeit habe, so kann ich mir viel merken. Ich merke mir alles, was die Lehrer im Unterricht erzählen, und das hilft mir in den Arbeiten total. Ich kriege als Nachteilsausgleich mehr Zeit, aber das hilft nur ein bisschen, der Stress bleibt ja trotzdem und meistens ist es insgesamt zu viel Text für mich. Manches können meine Lehrer nicht lesen, dafür gibt’s dann keine Punkte. Ich habe jetzt ein Training angefangen und lerne, mich besser zu konzentrieren, das hilft schon mal ein bisschen. Das hätte ich schon viel eher machen sollen, vielleicht wäre ich dann in der Schule besser. 

Schreiben ist auch nicht leicht. Während ich denke, dass ich ein Wort richtig aufschreibe, sieht es auf dem Papier plötzlich ganz anders aus. Wenn ich es anschaue, bin ich mir nicht sicher, ob es stimmt oder nicht. Und wenn ich zu lange darüber nachdenke, verschwimmt alles und ich weiß gar nichts mehr. Am besten klappt es, wenn ich nicht zu verkrampft bin. Dann ist immer noch vieles falsch geschrieben, aber man kann den Zusammenhang verstehen.

In Mathematik bin ich nicht schlecht. Ich verstehe die Mathematik, es nervt mich nur, dass man da alles so nach Vorschrift aufschreiben muss. Aber manchmal macht es richtig Spaß, der Lehrer hat auch viel mehr Geduld.

Ich hoffe, dass ich einen guten Schulabschluss machen kann und dann will ich Mechatroniker werden, ich hoffe, dass ich das schaffe. Schreiben wird wohl nie meine Lieblingsbeschäftigung werden, aber das muss es ja auch nicht. 

Bericht von Sabine

Lesen ist heute noch sehr stressig für mich, weil ich mich immer so beeile. Ich habe immer Angst, dass die Buchstaben sich verändern oder wegrutschen, ehe ich sie erlesen habe und dass ich dann noch mehr Fehler mache als ohnehin schon. Das ist natürlich Quatsch, aber früher hat sich das oft so angefühlt und die Wörter waren wirklich weg, ehe ich sie verstanden hatte. Die Buchstaben konnten hüpfen oder sich wegdrehen, manchmal sahen sie plötzlich anders aus oder waren verschwunden, ehe ich sie erfassen konnte.

Ich weiß natürlich, dass sie da sind. Manchmal sehe ich ein Wort als ganzes Bild, und dann verstehe ich es sofort. Aber wenn ich Buchstabe für Buchstabe lesen muss, dauert es ewig, und ich vergesse oft schon den Anfang, bevor ich beim Ende bin.

In meinem Kopf gibt es keine Wörter – nur Bilder. Wenn jemand „Apfel“ sagt, sehe ich keine geschriebenen Buchstaben, sondern sofort einen roten Apfel, glänzend und saftig. Wenn ich „Baum“ höre, sehe ich einen großen, knorrigen Baum mit raschelnden Blättern. Aber wenn ich das Wort „Baum“ lesen soll, wirkt es fremd. Es sind nur schwarze Zeichen auf Papier, die nicht so richtig mit meinem Bild zusammenpassen.

Ich kann mir Dinge sehr gut merken – aber auf meine eigene Art. Wenn mir jemand eine Geschichte vorliest, kann ich sie oft nacherzählen, als hätte ich sie selbst erlebt. Ich sehe die Szenen vor mir, als wäre es ein Film. Aber wenn ich den gleichen Text selbst lesen soll, kämpfe ich mit jedem einzelnen Wort.

Schreiben ist auch schwierig. Ich habe das Gefühl, dass meine Hand nicht das macht, was mein Kopf will. Die Buchstaben kommen in der falschen Reihenfolge, oder ich lasse welche weg, ohne es zu merken. Wenn ich meinen Text dann lese, bin ich überrascht – so wollte ich das gar nicht schreiben!

Aber wenn ich mit meinen Händen arbeite, kann ich Dinge erschaffen, die andere nicht können. Ich kann eine Geschichte erzählen, die andere mitreißt, auch wenn ich sie nicht aufschreiben kann.

Lesen und Schreiben sind für mich eine Herausforderung. Aber ich weiß: Es gibt viele Wege, um Dinge zu verstehen – und meiner ist eben ein bisschen anders. Ich bin froh, dass ich das heute weiß und im Alltag zurechtkomme. Man hat dann so seine Tricks. Nur, ich fahre nie alleine weg, das ist mir zu unsicher. Aber sonst ist alles gut.

Bericht von Stefan

Als ich in die Schule gekommen bin, habe ich die ersten Buchstaben schnell gelernt. Aber dann wurde es immer schwerer und ich hätte einfach mehr Zeit gebraucht. Bald war das alles ganz unübersichtlich für mich und ich habe mich nicht mehr zurechtgefunden. Ich hatte jeden Tag Angst in die Schule zu gehen. Die Erwachsenen haben nicht geholfen. Es gab eine Erzieherin, bei der musste ich immer so lange sitzen, bis ich was gelernt habe oder abgeschrieben oder sowas. Aber das hat nichts geholfen, ich hatte nur noch mehr Angst.

Mir war ein Rätsel, wie man aus Buchstaben Wörter bilden konnte, die das Gleiche sein sollen wie der Gegenstand oder was auch immer.

Wörter zu bilden oder aus dem Kopf aufzuschreiben war schwer, das kann ich heute noch nicht einfach so. Es fehlen immer Buchstaben oder es stehen andere da als ich mir noch gedacht habe. Ich glaube auch, dass ich die Wörter anders höre als andere Menschen, außerdem finde ich, dass viele ähnlich klingen und dann ist es sehr schwer für mich. Zum Beispiel das sss und zzz, sch und st und andere. Silben hören kann ich gut. 

Manchmal denke ich, dass ich mehr Hilfe gebraucht hätte und ich weiß nicht, warum ich das nicht lernen konnte wie andere Kinder. Heute gucke ich mir manchmal Bilder an und überlege, zu welchen Buchstaben die passen. Ob ich das Lesen besser gelernt hätte, wenn man es mir mit Bildern erklärt hätte? Ich weiß nicht, aber das hat auch niemand gemacht. Ich bin dann auf eine Förderschule gegangen, da hatte ich für alles mehr Zeit. 

Buchstaben zusammenzuziehen zu einem Wort ist für mich sehr schwer, ich verstehe den Sinn dahinter nicht, da kann ich mir Wortbilder besser merken. Aber die muss ich dann viel üben, sonst sind sie wieder weg.

Wie ich damit im Alltag zurechtkomme?

Fahrkarten kaufe ich am Schalter, oft vergleiche ich die Buchstaben, zum Beispiel bei Fahrkarten oder Ausweisen, manchmal vertausche ich aber die Zahlen, das ist dann ein Problem.

Ich kaufe abgepackte Waren, da kann man das Preisschild leichter finden und verstehen. Wir können mal zusammen einkaufen gehen, dann kannst du gucken, wie ich das mache. Briefe von Behörden zeige ich meinem Betreuer oder einer Freundin, dann machen wir auch gleich die Antwort. Ich kriege das dann vorgeschrieben und schreibe es dann langsam ab.

Ich habe ein Wörterbuch mit Bildern, das nehme ich mit, wenn ich in eine andere Stadt fahren muss. Ich habe auch ein Wörterbuch mit Bildern für Fahrradteile.

Schwierig ist, dass man jetzt oft Termine beim Arzt online machen soll oder eine Nachricht aufs Handy kriegt. Das kann ich nicht nutzen. Wenn ich Wechselgeld bekomme, überblicke ich das nicht so schnell. Da kann man mich beschummeln. Wenn ich Geld bekomme, sage ich immer, bitte geben Sie es mir passend.

Nein, ich habe keine anderen Wahrnehmungen beim Lesen. Es strengt mich nur sehr an und ich kann mich nicht lange konzentrieren. Ich habe Jahrzehnte gebraucht, um überhaupt freiwillig zu lesen und mich mit Schrift zu beschäftigen, der Stress war ja immer so groß dabei. Das habe ich jetzt hier in der Lernwerkstatt gelernt, da habe ich auch Schreiben gelernt, auch wenn es noch langsam geht. Aber ich habe eine schöne Schrift, sagen alle.

Jetzt will ich mir ein Kochbuch schreiben. Ich koche gerne und habe viele schöne Rezepte gelernt. Den fertigen Teller habe ich fotografiert und für die Zutaten habe ich Bilder gesucht, die ich dazu klebe und dann schreibe ich das Rezept auf. Das dauert ja alles lange, aber das ist egal.

Weil du nach anderen Wahrnehmungen fragst, bei Fahrradteilen habe ich das. Da denke ich in Bildern, statt in Begriffen. Ich arbeite ja in einem Fahrradladen und da kann ich mir alles gut vorstellen, alles in Bildern, da bin ich schnell.

Was habe ich Positives gelernt?

Ich kann mir Konstruktives gut vorstellen, zum Beispiel Fahrräder und Möbel aufbauen und beim Nähen und sowas. Da bin ich schnell. Ich habe gelernt, alleine und mit Unterstützung zurechtzukommen, das ist mir wichtig. Ich kann mit wenig Geld auskommen. Man kommt schon zurecht, aber es wäre Vieles einfacher, wenn ich schnell lesen könnte.

Mein Tipp an alle ist, dass man Mut haben soll in die Lernwerkstatt zu gehen und sich helfen zu lassen, es ist nie zu spät, ich habe auch noch Schreiben gelernt.

Vielleicht kann man in der Schule anders lernen? Dann können bestimmt noch mehr Kinder Lesen lernen und müssen sich nicht schämen und alles ist leichter.